Urteil des Landgerichts Tübingen vom 17.07.2020 – Az.: 2 O 429/18 –
bestätigt durch den Beschluss des OLG Stuttgart vom 01.02.2021 – Az.: 3 U 286/20 –
Das Landgericht Tübingen hat am 17.07.2020 der Klage einer Zimmerei auf Rückzahlung eines Vorschusses für die Aufwendung zur Mängelbeseitigung stattgegeben.
Die Bauherrin hatte die Zimmerei im Jahr 2010 damit beauftragt, den Dachboden ihres Gebäudes mit Dekorpaneelen zu verkleiden. In der Folgezeit traten Mängel auf. In einem beim Landgericht Tübingen im Jahr 2014 geführten Rechtsstreit auf Vorschuss für Mängelbeseitigungskosten stellte der vom Gericht beauftragte Sachverständige fest, dass die Paneelen infolge einer ungeeigneten Unterkonstruktion Durchbiegungen und Unebenheiten aufwiesen. Aus diesem Grund wurde die Zimmerei verurteilt, einen Vorschuss für die Kosten zur Mängelbeseitigung gemäß § 637 Abs. 3 BGB von fast 15.000,00 € zu bezahlen.
Die Bauherrin ließ die Mängel nach Zahlung des Vorschusses nicht beseitigen.
In der grundlegenden Entscheidung vom 22.02.2018 – Az.: VII ZR 46/17 – hat der für das Werkvertragsrecht zuständig VII. Zivilsenat des BGH seine langjährige Rechtsprechungspraxis zur Zulässigkeit der fiktiven Schadensberechnung im Rahmen des Schadensersatzes anstatt der Leistung geändert. Der BGH führt aus, dass ein Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigt, sondern diese nur fiktiv ermittelt, auch keinen Vermögensschaden in Form und Höhe dieser (nur fiktiven) Aufwendungen hat. Erst wenn der Mangel beseitigt und die Kosten dafür beglichen werden, entsteht dem Besteller ein Vermögensschaden.
Die Bauherrin wurde zunächst 2017 und zuletzt im Jahr 2018 unter Fristsetzung zur Abrechnung des Vorschusses aufgefordert. Die Aufforderungen blieben erfolglos. Die im Dezember 2018 – vor Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist – erhobene Klage beim Landgericht Tübingen auf Rückzahlung des auf die Kosten der Mängelbeseitigung geleisteten Vorschusses war erfolgreich, weil die Bauherrin die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat.
Das OLG Stuttgart hat das Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren bestätigt. Es sieht die angemessene Frist zur endgültigen Abrechnung der zur Verfügung gestellten Mittel als längst abgelaufen an, weil im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in I. Instanz mehr als vier Jahre nach Zahlung des Vorschusses verstrichen waren. Die Bauherrin kann ihren „Schaden“ auch nicht auf eine Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der in ihrem Eigentum stehenden Immobilie ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Immobilie mit Mangel stützen. Eine solche Wertdifferenz gibt es nach den Feststellungen des Sachverständigen gerade nicht.
Die Bauherrin muss, weil sie die Mangelbehebung nicht durchgeführt hat, den erstrittenen Vorschuss zurückzahlen.